SBB: Risk Management mit Finanzplanung verbinden

Die SBB erfüllen als bundesnahes Unternehmen nicht nur finanzielle Ziele, sondern auch Anforderungen von Kunden, Eigner (Bund), Bevölkerung und Politik. Im Sinne der integrierten Unternehmensführung müssen Finanzplanung und Risk Management dies berücksichtigen und abgestimmt werden. Hierfür gehen die SBB neue Wege und haben zur Abstimmung von Risiken mit der Finanzplanung eine eigene Systematik entwickelt.

Corporate Risk Management
Abbildung 1: Entscheidungsbaum zur Abbildung von Risiken in der Finanzplanung.

Das Corporate Risk Management ist Teil des Finanzbereichs der SBB. Im Auftrag des Verwaltungsrates und der Konzernleitung fokussiert es auf die Gesamtrisikosituation der SBB und ist für die konzernweiten Prozesse, Methoden und Instrumente im Risk Management der SBB verantwortlich.
Die Finanzplanung SBB wird aufgrund des langfristigen Bahngeschäfts für unterschiedliche Zeithorizonte erstellt. Im Fokus steht die mittelfristige Unternehmensplanung für die folgenden sechs Jahre. Auch wenn das Risk Management bei der Beurteilung von Risiken den gleichen Horizont betrachtet, waren bisher Abstimmungen zwischen Risk-Managern und Finanzplanern vor allem informeller Natur.

Um das Risk Management an die Bedürfnisse einer integrierten Unternehmensführung auszurichten, mussten beide zentralen Führungsinstrumente der SBB stärker miteinander verbunden werden. Ziel war es, dass einerseits Risiken systematisch in der Finanzplanung berücksichtigt und andererseits Finanzplanwerte bei der Risikobeurteilung herbeigezogen werden. Dazu kommt, dass im Risk Management der SBB als Transport- und Industrieunternehmen mit einem Service-Public-Auftrag viele Risiken qualitativ, z.B. betreffend ihrer Image-Auswirkung, eingestuft werden. Die vom Eigner gesetzten Ziele sowie die Wahrnehmung der Kunden und vielfältiger Stakeholder sind neben der Erreichung finanzieller Ziele für die Geschäftsentwicklung der SBB genauso relevant. In der Finanzplanung können qualitative Risiken jedoch nicht berücksichtigt werden.

Eine Theorieanalyse betreffend die Verbindung zwischen Finanzplanung und Risk Management brachte wenig praxistaugliche Erkenntnisse hervor. Im Rahmen von Gesprächen mit anderen Unternehmen konnten dafür wertvolle Inputs gewonnen und mit Risk-Managern und Controllern ein neuer Ansatz für die SBB erarbeitet werden. Risiken aus den Risk-Prozessen werden nun systematisch in der Finanzplanung berücksichtigt (Schritt 1) und Finanzplanwerte wiederum in den Risk Reports abgebildet (Schritt 2).

Schritt 1: Risiken in der Finanzplanung berücksichtigen

Zuerst wurden vier Grundsätze für die Berücksichtigung von Risiken in der Finanzplanung erarbeitet:

  1. Auch ein in der Planung berücksichtigtes Risiko bleibt im Risk Management so lange ein Risiko, bis es nicht mehr existiert. Ein solches Risiko wird weiterhin im Risk-Prozess abgebildet und gesteuert. Abweichend zu theoretischen Ansätzen, die ein Risiko als Ziel- oder Planabweichung definieren, folgen die SBB damit dem Vorsichtsprinzip und fördern die aktive Steuerung von Risiken.
  2. Risiken sind möglichst finanziell zu bewerten. Finanziell nicht bewertbare Risiken (z.B. qualitative Risiken) werden in der Finanzplanung nicht berücksichtigt.
  3. Präventive Risikomassnahmen sind in der Finanzplanung zu berücksichtigen.
  4. Die Risikoabbildung in der Finanzplanung erfolgt anhand eines «Entscheidungsbaums» (vgl. Abbildung 1). Finanzielle Risiken werden gemäss internen Regelungen in der Finanzplanung berücksichtigt, wenn ihre Eintretenswahrscheinlichkeit über 50 Prozent beträgt. Weitere Risiken können je nach Relevanz mit Szenarien und ihren Auswirkungen auf Financial Statements dargestellt werden.

Schritt 2: Finanzplanwerte im Risk Management berücksichtigen

Bislang wurde in den Risk-Prozessen das sogenannte aktuelle Risiko erhoben und im Risk Report abgebildet. Zusätzlich wurde mit dem Sollzustand eines jeden Risikos definiert, welcher Zielzustand mit der Risikostrategie erreicht werden soll. Beim aktuellen Risiko sind umgesetzte Massnahmen bereits berücksichtigt, aber nicht die in der Finanzplanung eingestellten Werte, Rückstellungen oder Versicherungsleistungen. Diese Transparenz galt es im Risk Report herzustellen: Wie gross ist ein Risiko noch, wenn die in der Finanzplanung dafür eingestellten Werte abgezogen werden? Mit dem neuen Ansatz wird ein Risiko im Risk Report mit drei statt mit zwei Werten abgebildet. Der bisherige Ausweis des aktuellen Risikos und des Soll-Zustands bleibt. Neu kommt die Nettodarstellung des Risikos hinzu. Dieser Wert entspricht dem aktuellen Risiko abzüglich der Werte und Massnahmen, die in der Finanzplanung berücksichtigt oder über Rückstellungen und Versicherungsleistungen abgedeckt sind (vgl. Abbildung 2). Damit besteht volle Transparenz im Risk Report über die verschiedenen Risikowerte.

Abbildung 2: Verschiedene Stufen des Risikoausweises.

Voraussetzung für Schritt 1 und 2 ist die finanzielle Risikobewertung

Die Risiken der SBB wurden bisher vor allem qualitativ bewertet. Damit möglichst viele Risiken quantifiziert werden und die Verbindung zwischen Risk Management und Finanzplanung verstärkt wird, wurde ein neuer Risikobewertungsansatz erarbeitet, der nicht nur den möglichen Schaden für die SBB, sondern auch den für Kunden, Bevölkerung und Politik monetarisiert.

Weiterhin gilt, dass der direkte Schaden eines Risikos auf Ergebnis und/oder Free Cashflow finanziell bewertet wird. Zusätzlich werden neu Verfügbarkeits- und Sicherheitsrisiken quantifiziert, indem neben dem betriebswirtschaftlichen auch der volkswirtschaftliche Schaden berechnet wird. Beispielsweise können Zugsverspätungen vergleichsweise geringe direkte Kosten verursachen, aber für Kunden, Bevölkerung, Politik und das Image der SBB grosse Auswirkungen haben. Nur Risiken, die weder eine direkte finanzielle Auswirkung haben noch die Verfügbarkeit oder Sicherheit tangieren (z.B. Personalmotivation), werden rein qualitativ bewertet.

Fazit

Anders als in der Theorie und in vielen Unternehmen fokussieren die SBB auf eine gesamtheitliche Steuerung und Bewertung der Risiken, auch wenn diese in der Finanzplanung berücksichtigt sind. Durch den systematischen Umgang mit Risiken in der Finanzplanung und die Abbildung von Finanzplanwerten in den Risk Reports wird die Verbindung zwischen Risk Management und Finanzplanung verstärkt. Hierfür müssen Risiken vermehrt finanziell bewertet werden, was auch die Vergleichbarkeit der Risiken untereinander erhöht.

Autorinnen

Corinne Posch, Betriebsökonomin FH, ist Senior Corporate Risk Managerin bei den SBB. Sie war vorher als Leiterin Planung und Reporting bei den Finanzen der SBB Division Infrastruktur tätig.

Tanja Matetic, Diplom-Kauffrau, leitet seit 2010 das Corporate Risk Management der SBB. Im Sommer 2021 startet sie als Leiterin Unternehmenssicherheit bei der Migros Aare.

Tanja Matetic ist Vorstandsmitglied im Verein Netzwerk Risikomanagement. Corinne Posch ist Mitglied im Verein Netzwerk Risikomanagement.

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