Steuer-Compliance: Fatalismus trifft auf technische Defizite und Fachkräftemangel

Eine Studie zum Management der Umsatz- bzw. Mehrwertsteuer in der DACH-Region macht einen überraschenden Fatalismus deutlich: Wenn technische Defizite, komplexe Vorschriften und ein Mangel an Fachkräften intern das Umsatzsteuer-Management erschweren, zeigen Unternehmen durchaus Mut zur Lücke. Dies ist indes im Zuge der EU-Umsatzsteuerreform und des generellen Trends zur Digitalisierung der Finanzfunktion als kritisch zu sehen, so die Einschätzung der Studienautoren.

Quelle: Vertex Inc.

In einer internationalen Studie befragte im Sommer 2023 der Anbieter von Steuersoftware Vertex Inc. Geschäftsführer und Führungskräfte, wie ihr Unternehmen mit den Anforderungen von indirekten Steuervorschriften und den damit verbundenen Risiken umgeht. Untersucht wurden 580 Unternehmen aus den Regionen DACH, Benelux, Nordics, Grossbritannien und den USA mit jährlichen Umsätzen zwischen 50 und 500 Millionen US-Dollar sowie ab 500 Millionen US-Dollar.

Umsatz- und Mehrwertsteuern: Steuer-Compliance als komplexe Herausforderung

Klar ist: Die Ermittlung der indirekten Steuern – was faktisch alle geschäftlichen Transaktionen betrifft – ist für Unternehmen eine komplexe Herausforderung: In der DACH-Region gab die Hälfte der Befragten an, dass sie mit Beanstandungen durch die Steuerbehörden zu tun hatten, bei einem Viertel war dies sehr oft der Fall. Interne Audits brachten bei 67 Prozent Fehler zutage, ein gutes Drittel war damit vielfach konfrontiert. Damit liegt die DACH-Region etwas besser als der internationale Durchschnitt, wo bei 62 Prozent der Unternehmen durch Behörden und bei 75 Prozent durch interne Audits Compliance-Verletzungen bei der Umsatzsteuerermittlung aufgedeckt wurden.  Finanzielle Konsequenzen durch Nicht-Einhaltung von indirekten Steuervorschriften mussten 56 Prozent der DACH-Unternehmen hinnehmen, international waren es durchschnittlich 75 Prozent.

Bei Steuervorschriften zeigt die Mehrheit Mut zur Lücke

Diese Zahlen passen auch zur eigenen Einschätzung. Weniger als ein Drittel (29%) der Führungskräfte aus DACH sehen ihr Unternehmen als „Champions“, das mit zukunftssicheren Strukturen für das Management indirekter Steuern ausgestattet ist. 39 Prozent erachten sich als „Calculators“ – einigermassen gut aufgestellt, aber mit einer gewissen Risikobereitschaft, was die indirekte Steuerfindung betrifft. 13 Prozent ordnen sich selbst den „Risikobereiten“ zu – nach dem Motto: Was ich nicht verstehe, kann ich nicht fürchten. Ganze 19 Prozent geben an, „Nachzügler“ zu sein – ihre Geschäftstätigkeit wird insgesamt durch Mängel bei der Ermittlung indirekter Steuern beeinträchtigt.

Behördliches Echtzeit-Reporting zwingt zu Modernisierung

„Vielfach sind in Unternehmen heterogene Systemlandschaften gewachsen, und mit ihnen variantenreiche Prozesse, wodurch die Ermittlung und Prüfung indirekter Steuern teils manuell und teils mit selbstgestrickten Funktionen in den ERP-Systemen bewerkstelligt wird. Das dauert und ist fehleranfällig, vor allem im internationalen Geschäft“, erklärt Maximilian Borgmann, Director Sales & Value Engineering bei Vertex Inc. „Gleichzeitig fordern die Finanzbehörden weltweit mehr und mehr Echtzeit-Reporting – Stichwort EU-Umsatzsteuerreform und eInvoicing. Dies zwingt Unternehmen zur Digitalisierung ihrer Finanz- und Steuerfunktion mit einem entsprechenden Compliance-Management. In diesem Zuge ist es unumgänglich, die indirekte Steuerfindung maximal zu automatisieren und zu standardisieren.“ 

Quelle: Vertex Inc.

Mängel bei indirekten Steuern auch mit persönlichen Risiken verbunden

Generell sind sich zwei Drittel der befragten Führungskräfte – das gilt für alle Regionen – bewusst, dass ihre Organisation Risiken eingeht, wenn es um indirekte Steuern geht. Angesichts ihres derzeitigen Stands der indirekten Steuer-Compliance im Unternehmen sehen sich ganze 84 Prozent persönlichen Risiken ausgesetzt. Dabei schätzen 31 Prozent der Führungskräfte aus DACH diese persönlichen Risiken als erheblich an. „Dies hat auch Konsequenzen für das Recruiting – attraktive Arbeitgeber für die viel gesuchten Steuerexperten sind künftig vor allem diejenigen Unternehmen, die sich durch ein solides Management der Steuer-Compliance auszeichnen und ihre Mitarbeiter nicht unnötigen Risiken aussetzen“, kommentiert Borgmann.

Strafzahlungen, Strafverfolgung und persönliche berufliche Konsequenzen sind auch die Aspekte, die bei Verletzung indirekter Steuervorschriften am meisten befürchtet werden. Hapert es insgesamt beim internen Management indirekter Steuern, beeinflusst das auch die Geschäftsentwicklung. So gaben 40 Prozent der befragten DACH-Unternehmen an, dass sie aus diesem Grund in bestimmten Regionen nicht geschäftlich tätig werden können.

Fehlerhafte Steuerfindung durch Mangel an Kompetenzen und technischer Unterstützung 

Der Grund für die Schwierigkeiten, indirekte Steuervorschriften einzuhalten, ist in allen untersuchten Regionen ein Zusammenspiel aus vielen, fast gleichwertigen Faktoren. So treffen in DACH fehlende Kompetenzen (41%) sowie mangelnde technologische Unterstützung (36%) und Datenqualität (35%) auf ständige Änderungen der Steuervorschriften (33%) und unzureichende Digitalisierung im Unternehmen (33%).

Treibende Faktoren, die vielfach risiko-orientierte Situation bezüglich der indirekten Steuer-Compliance zu verbessern, sind technischer und strategischer Natur. In DACH ist es zumeist eine Modernisierung der Unternehmenssysteme. Dies gilt vor allem bei grossen Unternehmen. An zweiter Stelle wird die weltweit wachsende Zahl an Steuervorschriften genannt. Das Ziel, einen ganzheitlichen Ansatz bei der Finanz-Compliance zu schaffen, ist der drittwichtigste Treiber. Gleich dahinter folgt das wachsende Online- bzw. digitale Geschäft, das zusätzliche Herausforderungen in der indirekten Steuerermittlung mit sich bringt.

Echtzeitmeldepflichten beenden Nachlässigkeiten bei indirekten Steuern 

„Steuerbehörden weltweit rüsten digital auf, verpflichten zu elektronischer Rechnungsstellung und Echtzeit-Reporting von Transaktionsdaten. ‚Mut zur Lücke‘ geht nicht mehr, manuelle Steuerprozesse oder Korrekturen im Nachhinein sind bald nicht mehr möglich“, erklärt Borgmann. „Hinzu kommt: Die generelle Digitalisierung Finanzfunktion ist in vollem Gange. In diesem Zuge werden und müssen auch in der Steuerabteilung Routinetätigkeiten maximal automatisiert und standardisiert. Damit haben Steuerspezialisten mehr Raum, um sich auf Kontrollen und strategische Planung zu konzentrieren, was dem Gesamtergebnis von Unternehmen zugute kommt.“

Quelle: Vertex

Mehrwertsteuer in der Schweiz: Seit 1.1.2024 gelten neue Sätze

Die obige Studie beleuchtet schwergewichtig die Situation im EU-Raum. Aber auch in der Schweiz gab es per Anfang Jahr Veränderungen. So trat am 1. Januar 2024 die Erhöhung der Mehrwertsteuer in Kraft. Der Normalsatz beträgt neu 8.1% (vorher 7.7%), für den reduzierten Satz gelten neu 2.6% anstatt 2.5%. Der Sondersatz für Beherbergung beträgt neu 3.8% anstatt 3.7%. Das bedeutet, dass Unternehmen einerseits vor der Herausforderung stehen, diese zusätzlichen Steuerkosten decken zu müssen, anderseits auch ihre Systeme (z.B. Updates von ERP- und Buchhaltungssoftware) anpassen müssen, um rechtliche Konsequenzen zu vermeiden. Gerade bei KMU ist dies unter Umständen mit Personal- bzw. Ressourcenproblemen verbunden. 

(red.)

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