Tag der Schweizer Qualität 2020 auf digitalen Wegen

Einen Tag der Schweizer Qualität (abgekürzt: TSQ) wie jener vom 13. Mai 2020 gab es so noch nie: Weil aufgrund der Corona-Pandemie-Massnahmen keine Grossveranstaltungen erlaubt waren, gab es eine Premiere: Die SAQ ging mit der beliebten Tagung erstmals live via Stream. MQ war dabei und zeigt erste Highlights des TSQ2020.

Podiumsdiskussion am Tag der Schweizer Qualität 2020 mit gebührendem Abstand: Dalith Steiger, Gergory Lukowski, Ewa Ming, Andy Fitze. (Screenshot)

Zum ersten Mal durfte SAQ-Geschäftsführerin Marlyse Roulin zum Tag der Schweizer Qualität begrüssen. Und gleich für dieses Debüt fand sie sich in einer neuen Situation wieder: der TSQ2020, ein Traditionsanlass, der sonst für mehrerer Hundert Qualitätsverantwortliche im Kur- und Kongresssaal Bern geplant wird, ging nicht nur inhaltlich auf neue Dimensionen der Künstlichen Intelligenz (KI) ein, nein, er wandelte sich gleichsam zu einem digitalen, überregionalen Live-Event. Marlyse Roulin, sprach zwar zu wenigen SAQ-Experten vor Ort, doch alles in allem war der TSQ2020 für die SAQ Geschäftsführerin, wie auch für die Keynote-Speaker eine grosse Premiere.

„KI: Chance oder Risiko“?

Passend war auch das gewählte Thema: „Künstliche Intelligenz (KI): Chance oder Risiko?“ – Eine Frage, die sich Marlyse Roulin auch bei ihrer Eröffnungsansprache stellte, aber nicht ohne den Punkt der eigentlichen Chance bei diesem Thema zu vernachlässigen. Dies gehe aber nur, wenn Unternehmen sich verstärkt agile Strukturen verschaffen und vom Silo-Denken wegkommen. Und wichtig sei es, sich über die Fortschritte der KI auf dem Laufenden zu halten. Mit dem diesjährigen Tag der Schweizer Qualität lieferte die SAQ einen Beitrag dazu. Nicht nur, dass Bundesrat Guy Parmelin, ein ausführliches Grusswort über KI an die SAQ richtete, sondern auch mit interessanten Schlaglichtern in die IT- und QM-Praxis.

Im ersten Referat des Vormittags unterzog Dalith Steiger von SwissCognitive das Tagungsthema einem „Reality Check“. KI sei im Wesentlichen eine Erweiterung der zunehmenden Vernetzung von Gegenständen. Es gehe nicht mehr nur um den reinen Austausch von Daten, sondern darum, „etwas aus den Daten zu machen“. Darin, immer mehr Produkte „smart“ zu machen, liege eine grosse Chance für Unternehmen jeder Grösse. KI ermögliche es, den Algorithmen das zu überlassen, was Menschen nicht gerne tun. Zeit zu sparen und Gefahren auszuschliessen. Damit öffnen sich die Tore für die eigentliche menschliche Kernkompetenz: Die Kreativität.

Einige dieser Aspekte wurden in der anschliessenden Podiumsdiskussion nochmals angesprochen. Ewa Ming, Gregory Lukowski, Dalith Steiger sprachen mit Diskussionsleiter Andy Fitze über die Frage, was den KI besser machen könne – auch hinsichtlich Qualität. Schliesslich ging es ums altbewährte Credo „Garbage in, garbage out“, welches besagt, dass ein Rechner mit hoher Wahrscheinlichkeit (aber nicht notwendigerweise) eine ungültige oder nicht aussagekräftige Ausgabe produziert, wenn die Eingabe nicht aussagekräftig ist.

Daher, so waren sich die Teilnehmenden der Diskussion einig, gehe es primär darum, gute Daten von schlechten Daten zu differenzieren. Dalith Steiger wies noch darauf hin, dass man nicht denken sollte, durch KI Technologie würde die Welt plötzlich von selbst funktionieren. Es brauche nach wie vor kreative und ethische Ansätze, um digitale Prozesse zu steuern und zu nutzen.

Und was sollen Unternehmen als erste Schritte planen, wenn sie an KI denken? Mitarbeitende involvieren, das eigene Business genau kennen, Basisdaten verstehen, und verstehen, was die Kunden wollen. Zusätzlich sollte man sich die richtigen Partner suchen – vorteilsweise auch Menschen aus anderen Industrien, die das „thinking out of the box“ initiieren.

 

Aussergewöhnliche Atmosphäre im Berner Kursaal: Am Tag der Schweizer Qualität 2020 blieben die Referentinnen und Referenten unter sich – mit viel Platz dazwischen. (Bild: Screenshot).

Warum Normung für KI? 

Filiz Elmas leitet seit dem 1. Juni 2019 die Geschäftsfeldentwicklung für Künstliche Intelligenz (KI) bei DIN. Ihre Aufgabe ist es in Kooperation mit den verantwortlichen Projektleitern, die Synergien aller laufenden KI-Projekte zu erfassen und auch zukünftige Projekte so zu gestalten, dass der Nutzen der Normung und Standardisierung für die Wirtschaft, Forschung und Gesellschaft im Bereich KI im Vordergrund steht.

Dass Künstliche Intelligenz Normen und Standards braucht, ist nicht zuletzt durch die KI-Strategie von Regierungen, aber auch durch die Live-Stream-Digitalisierung der Gesellschaft in jüngster Zeit deutlich geworden. Elmas: Es sei die Aufgabe der Normung und Standardisierung, die KI-Landschaft mit zu strukturieren und zusammen mit DIN-Mitarbeitern und den Experten einen klaren Handlungsrahmen neben weiteren behördlichen Bestimmungen zu schaffen.

Digitalisierung in der Praxis – zum Nutzen der Qualität

Am Nachmittag ging es dann um Digitalisierung – nicht nur in Form von KI – in der Praxis. Zunächst lieferte Ruedi Bigler einen Einblick in seinen modernen Bauernbetrieb. „Mein wichtigstes Werkzeug ist heute ein Smartphone“, sagte der Meisterlandwirt, der auch Präsident von Aaremilch und Vizepräsident Branchenorganisation Milch ist. Er zeigte, wie dank hoher Automatisierung Kühe autonom auf die Weide gehen und sich melken lassen können oder wie mit GPS-Unterstützung zentimetergenau gesät, gedüngt und gemäht werden kann. Indes: Digitalisierung steigert wohl die Effizienz auch in der Landwirtschaft, „aber ich muss den Tieren immer noch in die Augen sehen können, um zu sehen, ob es ihnen gut geht“, so Bigler.

Pascale Lenz von IBM zeigte, wie mit Hilfe verschiedener Tools HR-Aufgaben in einem Grosskonzern bewältigt werden. Auch hier: Es geht um Daten, Daten und nochmals Daten. Doch dank diesen können die Mitarbeiten gezielt entwickelt und auf weitere Karriereschritte vorbereitet werden. Mit Hilfe von E-Learning-Tools stellt IBM auch die notwendigen Weiterbildungen zur Verfügung, damit Mitarbeitende ihre selbst gesteckten Ziele erreichen können.

Dominik Weibel von eMDe Blechfabrik erläuterte die Produktionsprozesse in seinem Unternehmen: Auf Basis von Microsoft SharePoint und in Kombination mit QR-Codes sind weite Teile der Papierführung digitalisiert, was das Prozessmanagement transparent und von verschiedenen Plattformen unabhängig macht. Eine wichtige Rolle spielen auch die Kunden selbst: Sie sind es nämlich, die die Aufträge direkt ins ERP eingeben – via eine Online-Kalkulationsplattform, die in der Branche ihresgleichen sucht.

Dass dank Digitalisierung und KI-Anwendungen Produkte wie z.B. Nahrungsmittel sicherer werden, zeigte im Anschluss Stefan Keller von Bühler Uzwil. Eine ihrer Lösungen ist in der Lage, 250’000 Reiskörner pro Sekunde zu detektieren und jene, die nicht den Qualitätskriterien entsprechen, per gezieltem Luftstrom auszusortieren. Oder die Pläne für eine „Smart Mill“: Dahinter steckt die Idee einer völlig autonom arbeitenden Mühle. Eine Pilotanlage ist seit zwei Jahren in Betrieb.

Menschliche Kernkompetenz „Kreativität“

Gerriet Danz lud am Schluss zu einer „Expedition Innovation“ ein. Er zeigte, dass Wandel ein entscheidender Treiber von Kreativität ist. Anhand von verschiedenen Beispielen demonstrierte er, dass Neues und Erfolgreiches häufig dann entsteht, wenn sich Dinge neu verknüpfen lassen. Da könne man von Kindern viel lernen: „Diese beginnen einfach mal, während Erwachsene erst mal diskutieren, wie ein Team zusammengesetzt werden soll“. Mit Kreativität lassen sich Grenzen überschreiten.

Dieser inspirierende Vortrag beschloss den aussergewöhnlichen Tag der Schweizer Qualität 2020. In seinem Schlusswort wies SAQ-Präsident Ruedi Lustenberger darauf hin, dass man Entwicklungen nicht aufhalten kann. „Entwicklung passiert“. Aber: „Das Denken kann man dem intelligenten Menschen nicht verbieten. Denn ohne menschliche Intelligenz gäbe es auch keine künstliche“.

 

SAQ-Präsident Ruedi Lustenberger. (Bild: Screenshot)

 

Der nächste Tag der Schweizer Qualität findet am 4. Mai 2021 statt – in hoffentlich wieder gewohnter Atmosphäre. Trotz der ausgezeichneten Organisation des Live-Streams und der tadellosen Qualität von Bild und Ton fehlte eines: Die Gelegenheit des Networkings.

 

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