Wirtschaftliche Grundversorgung im Krisenfall weitgehend gewährleistet

Pandemien, geopolitische Spannungen, Klimawandel: Die Schweizer Wirtschaft ist immer wieder einschneidenden Ereignissen ausgesetzt, die in einer vernetzen Welt grosse Schäden verursachen können. Das Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsunternehmen Deloitte hat die Krisenfestigkeit und Abwehrfähigkeit der Schweizer Wirtschaft für drei realistische Szenarien untersucht und mit externen Expertinnen und Experten validiert.

Bei der Grundversorgung zeigt sich der Bereich Energie im Krisenfall als erstaunlich resilient. (Bild: Pixabay.com)

Das Wirtschaftsprüfungsunternehmen Deloitte hat einen neuen Resilienz-Barometer für die Schweizer Wirtschaft veröffentlicht. Zu diesem Zweck haben die Autorinnen und Autoren die Wirtschaft in acht Bereiche mit weiteren Unterbereichen eingeteilt. Jeder Unterbereich wurde dann auf seine Widerstandskraft gegenüber drei ausgewählten Szenarien untersucht. Als Szenarien gewählt wurden erstens eine hochansteckende und krankmachende Pandemie, zweitens eine Verschärfung der globalen politischen Spannungen mit Blockbildungen, einer Zunahme von Sanktionen und dem Unterbruch von Lieferketten und drittens eine weitere Verschärfung des Klimawandels mit klimatischen Extremereignissen wie Hitzewellen oder Hochwasser. Bei all diesen Szenarien kann von einem erheblichen Risiko für die Grundversorgung ausgegangen werden.

Erhebliche Unterschiede zwischen den Wirtschaftsbereichen

Die Studie lässt erhebliche Unterschiede zwischen den acht für das Funktionieren der Wirtschaft zentralen Bereichen erkennen: Die Finanzmarktinfrastruktur zum Beispiel ist erfreulich resilient. Die aktuell vieldiskutierte Energieversorgung zeigt zwar gewisse Schwachstellen, die Grundversorgung kann jedoch weitgehend aufrechterhalten werden. Weniger resilient zeigt sich die Gesundheitsversorgung, die in den Szenarien Globaler Pandemieausbruch und Geopolitische Spannungen und Blockbildung erhebliche Einschränkungen erleiden würde. Auch die Logistik ist aufgrund der Globalisierung sehr anfällig, insbesondere mit Blick auf das Szenario Geopolitische Spannungen. «Wo Menschen vor Ort wichtige Arbeiten übernehmen, wird es im Krisenfall schwierig», so Ralph Wyss, Partner und Leiter des Industriebereichs Verteidigung, Sicherheit und Justiz bei Deloitte Schweiz.

Logistik als Herzstück muss gestärkt werden

Während gewisse Lücken in der Gesundheitsversorgung im Falle einer schweren Pandemie wenig überraschend sind, kann die Widerstandsfähigkeit der Logistik sehr wohl verstärkt werden. Es zeigt sich deutlich, dass die Schweizer Wirtschaft stark von globalen Lieferketten abhängig ist, die weder bei einer Pandemie noch bei einer Zunahme von politischen Spannungen resilient sind. «Eine funktionierende Logistik ist das Herzstück der Wirtschaft. Unternehmen und Verbände sollten die in der Studie zutage getretenen Schwachstellen daher zügig angehen», erläutert Ralph Wyss.

Resilienz stark abhängig von Szenario

Von den drei analysierten Szenarien hat eine Pandemie die stärksten Auswirkungen auf die Schweizer Wirtschaft – auch wenn die Schweiz und die ganze Welt bereits mit Covid-19 viel Erfahrung sammeln konnten: «Es ist sehr schwierig, für den Fall einer noch ansteckenderen Pandemie eine bessere Resilienz aufzubauen. Letztlich helfen in einem solchen Fall gesunde Menschen kranken Menschen. Solange Technologie den Menschen nicht wesentlich substituiert, bleibt die Schwäche im System bestehen», so Ralph Wyss.

Resilienzwerte Schweiz nach Szenarien. (Grafik: Deloitte)

Weniger stark, aber doch allmählich spürbar, wirkt sich die Zunahme Klimatischer Extremereignisse aus. Neben der Logistik haben diese auch zunehmend Auswirkungen auf die Lebensmittelversorgung. «In den kommenden drei bis fünf Jahren ist nicht damit zu rechnen, dass klimatische Extremereignisse die Grundversorgung der Schweizer Wirtschaft gefährden. Weiter in die Zukunft gehende Prognosen sind sehr stark abhängig vom Erfolg der Staatengemeinschaft, den globalen Temperaturanstieg zu stoppen», so Céline Neuenschwander, Researcherin bei Deloitte Schweiz und Projektleiterin der Studie.

Öffentliche Sicherheit hängt stark vom Milizsystem ab

Die öffentliche Sicherheit zeigt sich in allen Szenarien weitgehend resilient gegenüber Krisen. Ein Ausreisser ist die Sanität, die im Pandemieszenario starke Einschränkungen erleidet. Die Armee als letztes Mittel zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit hat vor allem im Szenario Geopolitische Spannungen Schwierigkeiten, da Rüstungsgüter nur noch schwer zu beschaffen sind. Zudem basieren zahlreiche Institutionen wie Armee, Zivilschutz, Krisenstäbe, aber auch die Feuerwehr fast im ganzen Land auf dem Milizsystem. «Mit fortschreitender Dauer einer Krise werden die in einer Milizfunktion zuständigen Personen wieder in ihre angestammten Berufe zurückkehren müssen. Das ist die grosse Herausforderung für unser sonst gut funktionierendes Milizsystems», so Ralph Wyss.

Finanzmarktinfrastruktur und Energieversorgung erfreulich resilient

Auf der positiven Seite stehen die Finanzmarktinfrastruktur und die Energieversorgung, die beide in der Gesamtauswertung hohe Resilienzwerte aufweisen. Im Falle von starken geopolitischen Spannungen und einer intensivierten Blockbildung sinkt die Resilienz der Schweizer Energieversorgung jedoch rasch. «Angesichts der zunehmend digitalisierten Wirtschaft ist eine anfällige Energieversorgung problematisch. Aktuell haben daher die meisten Unternehmen Massnahmen ergriffen, um den eigenen Verbrauch genauer zu verstehen und bereiten sich darauf vor, kurzfristig den Stromverbrauch zu senken und den Umgang mit Kontingentierung und Stromunterbrüchen zu planen», so Ralph Wyss.

Die Studie unterscheidet bewusst zwischen dem Aufrechterhalten der heutigen komfortablen Situation und einer Grundversorgung, die nur noch das Notwendige erbringt. «Es zeigt sich erfreulicherweise, dass die Schweizer Wirtschaft mit wenigen Ausnahmen eine gute Grundversorgung sicherstellen kann. Die identifizierten Schwachstellen zeigen aber, dass Unternehmen und Behörden das Thema Resilienz breit angehen müssen. Der aktuelle Fokus auf die Energieversorgung ist zwar wichtig, er wird der Breite der anstehenden Herausforderungen aber nicht gerecht», schliesst Ralph Wyss.

Quelle: Deloitte

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