Öffentliche Gelder für Open Source Software: Bern passt seine Gesetzgebung an

Der Regierungsrat des Kantons Bern will die Freigabe von Open Source Software fördern. Die neue ICT-Verordnung des Kantons erlaubt explizit die Freigabe von OSS. Getreu der Maxime, dass öffentlich finanzierte Software auch öffentlich zur Verfügung gestellt werden soll. Somit solle auch die Abhängigkeiten von IT-Anbietern reduziert werden.

Open Source muss nicht unbedingt „gratis“ heissen. Der Kanton Bern stellt die Probe aufs Exempel. (Bild. depositphotos)

Das Amt für Informatik und Organisation des Kantons Bern (KAIO) wird demnächst Open Source Software veröffentlichen. Dies sei ein Etappensieg im langjährigen Engagement einer breiten Allianz von Akteuren, wie es in einem Kommunikee der Prlamentarischen Gruppe Digitale Nachhaltigkeit Parligi heisst. Die Gruppe setzt sich für die Veröffentlichung von Software unter einer Open-Source-Lizenz ein.

Parligi trat bereits 2011 für das Anliegen ein, als das Bundesgericht die Geschäftsverwaltungssoftware OpenJustitia unter einer OSS-Lizenz veröffentlichte und dafür von Anbietern proprietärer Lösungen unter Beschuss geriet. Dies führte zur Einreichung und Annahme der überparteilichen Motion 2013.0783 „Synergien beim Software-Einsatz im Kanton Bern nutzen“ im Berner Grossrat durch den EVP-Grossrat Marc Jost.

Danach galt es, eine weitere Hürde zu überwinden: Die wettbewerbsrechtliche Zulässigkeit einer Veröffentlichung durch den Staat als Urheber der Software zu prüfen. Parldigi begrüsste das im 2017 vom KAIO veröffentlichte Gutachten von Prof. Dr. Tomas Poledna und Prof. Dr. Simon Schlauri diesbezüglich. Die Rechtsexperten kamen zum Schluss, dass die Veröffentlichung und die Bereitstellung von OSS kaum je als schwerer Eingriff in die Wirtschaftsfreiheit zu taxieren sei:

Keine Gratiskampagne

„OSS ist keine marktfähige Gratisleistung, die den privaten Konkurrenten das Wirtschaften verunmöglicht. Denn aus Sicht des Kunden sind nicht nur die Kosten des Codes (die bei OSS naturgemäss wegfallen) relevant, sondern die gesamten Kosten des Softwarebetriebs (inkl. Anpassungen und Integration, Support, Wartung, u.dgl.) und auch andere Wettbewerbsparameter, insbesondere Qualität, Funktionsumfang, Benutzerfreundlichkeit oder Nebendienstleistungen.

OSS ist m.a.W. zwar quelloffen, aber nicht kostenlos. Entsprechend bleibt Privaten in der Praxis regelmässig Raum für wirtschaftliche Tätigkeit, und von einer faktischen Verdrängung kann nicht die Rede sein.“ (Poledna/Schlauri 2016: 3)

Mit der Verankerung in der ICT-Verordnung des Kantons kann dem Auftrag aus Motion 2013.0783 Folge geleistet werden. Grossrat Marc Jost freut sich: „Nach fünf Jahren ist nun endlich das gesetzliche Fundament für den Kanton gelegt, um die vielen Vorteile des Open Source Ansatzes voll auszuschöpfen. Jetzt steht der kantonalen Informatik nichts mehr im Weg, um Synergien zu nutzen und Kosten mit anderen Gemeinden zu teilen.“ Das Engagement zeigt Wirkung: Konkrete Projekte werden nun als OSS veröffentlicht oder sind in Planung, so wie die Behördenapplikation Ki-Tax.

Der Regierungsrat scheint sich von den Vorteilen von Open Source Software überzeugt zu haben: Durch die breite Verwendung können Sicherheit und Stabilität eingehender von der Community von Nutzern und Entwicklern getestet und Abhängigkeiten von bestimmten Lieferanten und Produkten abgebaut werden. Und die positiven Skalierungseffekte (einmal entwickeln, mehrmals verwenden) sind besonders bei öffentlich finanzierter Software sinnvoll.

www.digitale-nachhaltigkeit.ch

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