Swiss Medtech fordert Änderung der nationalen Medizinprodukteverordnung

Wie geht es der Schweizer Medtech-Branche knapp ein halbes Jahr nach Rückstufung auf Drittstaat? Die Antwort: Für den Export von Medizinprodukten gemäss neuer EU-Regelung ist die Branche den Umständen entsprechend gut aufgestellt. Alarmierend ist die Situation beim Import. Mit den hausgemachten Import-Hürden gefährdet die Schweiz die Gesundheitsversorgung ihrer eigenen Bevölkerung. Swiss Medtech fordert daher dringend eine Änderung der nationalen Medizinprodukteverordnung.

Medtech
Seit der Medizinprodukteverordnung vom 26. Mai 2021 krankt die Schweiz insbesondere beim Import von Medizinprodukten. Neue Rezepte sind gefragt. © Depositphotos, doble.dphoto

Die diesjährige Konferenz von Swiss Medtech zur Medizinprodukteregulierung vom 19. Oktober stand ganz im Zeichen der neuen Realität Drittstaat, in der sich die Schweizer Medizintechnikindustrie seit Mai dieses Jahres im Verhältnis zur Europäischen Union (EU) – ihrem wichtigsten Handelspartner – befindet. Welche Konsequenzen hat die Blockade mit der EU auf die bisher von Erfolg geprägte Schweizer Medizintechnikindustrie? Welches sind die akuten Probleme und wie könnten sie gelöst werden? An der Konferenz gingen über 500 Branchevertreterinnen und -vertreter dieser Fragen nach. 

Export: Die Branche hat sich arrangiert

Gemäss Swiss Medtech hat die Branche das Szenario Drittstaat zu grossen Teilen antizipiert und sich zwei Jahre mit grossem Einsatz darauf vorbereitet, die Zusatzanforderungen für den lückenlosen Export ihrer Ware in die EU zu erfüllen. Dazu gehören im Wesentlichen die Benennung eines Bevollmächtigten im EU-Raum, der stellvertretend Herstelleraufgaben und die solidarische Produktehaftung übernimmt, sowie die Neubeschriftung der Produkte. Heute seien fast alle Unternehmen entsprechend aufgestellt. Die Rechtslage sei klar: Wer MDR¹-Produkte in die EU-exportieren wolle, müsse die Drittstaat-Anforderungen erfüllen. Demgegenüber bestehe in Bezug auf die Medizinprodukte mit bestehenden Zertifikaten (sog. MDD²-Produkte bzw. altrechtliche Produkte) nach wie vor Rechtsunsicherheit. Dürfen sie von der Übergangsfrist bis Ende 2024 profitieren oder nicht? «Die EU sagt Nein, die Schweiz sagt Ja», so der Branchenverband. Jedes Unternehmen müsse in diesem rechtlichen Schwebezustand eine eigene Risikoabwägung machen. 

Import: Alarmierende Situation – Patientenversorgung ist gefährdet

Mit Inkraftsetzung der nationalen Medizinprodukteverordnung (MepV) am 26. Mai 2021 hat der Bundesrat hohe Import-Hürden für ausländische Hersteller aufgestellt. Damit schade die Schweiz nicht nur der heimischen Medtech-Industrie, sondern gefährde darüber hinaus die Gesundheitsversorgung ihrer eigenen Bevölkerung. Branchenumfragen würden zeigen, dass jedes achte der heute in der Schweiz verwendeten Medizinprodukte künftig nicht mehr verfügbar sein werde, so Swiss Medtech. Der Grund: Nicht alle ausländischen Hersteller seien bereit, zusätzliche Anforderungen einzig und allein für den kleinen Absatzmarkt Schweiz zu erfüllen. «Zurzeit sind uns Einzelbeispiele von Lieferstopps bekannt. Ab zweite Hälfte nächsten Jahres wird es breit spürbare Versorgungslücken geben», ist Daniel Delfosse, Leiter für Regulierungsfragen von Swiss Medtech, überzeugt.

Bereits im Frühling dieses Jahres hat der Verband zusammen mit anderen Gesundheitsakteuren in einem offenen Brief an den Bundesrat auf die alarmierende Situation aufmerksam gemacht. Ohne Erfolg: Die MepV wurde mit hohen Import-Hürden in Kraft gesetzt. 

Dem Verband sei bewusst, dass der Bundesrat die MRA³-Aktualisierung und damit den Schlüssel zum freien gegenseitigen Warenhandel nicht allein in der Hand habe, sondern auch die EU bereit dazu sein müsse. «Umso wichtiger ist es, dass der Bundesrat die Regeln des Imports, die er mittels MepV unabhängig von der EU einseitig festlegen kann, zum Wohle der Schweiz trifft. Das ist heute nicht der Fall», sagt Delfosse. Mit der MepV habe die Schweiz das von der EU übernommene Recht (MDR) noch zusätzlich verschärft (Swiss Finish). «Die Vorlage funktioniert in der Realität nicht. Wir fordern eine dringende Änderung. Mit ein paar wenigen Anpassungen der Verordnung könnte das sich anbahnende Versorgungsproblem massiv entschärft werden. Die Schweizer Regierung hat das allein in der Hand», so Delfosse. 

Zukunft: Beziehung mit der EU auf eine solide Basis stellen

Nebst den kurzfristigen negativen Konsequenzen dürfe der langfristige Schaden für den bisher attraktiven Medtech-Standort Schweiz nicht vergessen gehen. «Vielen Entscheidungsträgern scheint nicht bewusst zu sein, wie sehr die Blockade mit der EU der Attraktivität der Schweiz als Wirtschaft- und Forschungsplatz bereits geschadet hat und schaden wird. Der Verband wird sich deshalb weiterhin mit ungebrochenem Engagement mit Partnern und in Allianzen dafür einsetzen, dass die Beziehung der Schweiz mit der EU auf eine solide und dauerhafte Grundlage gestellt wird», sagt Beat Vonlanthen, Präsident von Swiss Medtech.

Quelle: Swiss Medtech

 

Rückblick auf das europapolitische Medtech-Staccato 

Der 26. Mai 2021 war ein Stichtag für die Medtech-Branche: Die neue europäische Medizinprodukteverordnung (¹Medical Device Regulation, MDR) ersetzte die alten EU-Richtlinien (²Medical Device Directive, MDD). Die nationale Medizinprodukteverordnung (MepV) trat in Kraft. Der Bundesrat brach die Verhandlungen mit der EU zum Institutionellen Rahmenabkommen ab, womit eine Chance auf zeitnahe Aktualisierung des Abkommens für den freien bilateralen Handel von Medizinprodukten (³Mutual Recognition Agreement, MRA) abrupt zerrann. Mit der fehlenden Aktualisierung des MRA wurde die Schweizer Medtech-Branche auf Drittstaat zurückgestuft. Die EU-Kommission tat kund, dass Schweizer Zertifikate in der EU ab sofort nicht mehr anerkannt sind, und dass Produkte mit bestehenden, von einer Stelle in der EU ausgestellten Zertifikaten, nicht von der Übergangsfrist bis Mai 2024 profitieren können.

Prozesse und Produkte sicherheitstechnisch überprüfen und zertifizieren

Als erste Schweizer Zertifizierungsstelle für funktionale Sicherheit und Cyber-Security leistet das SNV-Mitglied CertX einen wichtigen Beitrag zur Zuverlässigkeit von Produkten und Prozessen. Normen unterschiedlichster Art stellen dabei das Fundament für ihre Arbeit und die Zertifizierung bei ihren Kunden.

CertX
© zVg

Cybersecurity betrifft nicht nur den Hackerangriff auf das E-Mail-System, die Firmenserver oder die Kundendatenbank. Sprichwörtlich alles, was vernetzt ist, kann gehackt werden: von medizinischen Geräten bis zum Stromnetz, von der heimischen Alarmanlage bis zum Gasnetz. Man spricht in diesen Fällen von «Operationeller Cybersecurity». Ist beispielsweise ein Auto nach 2017 angeschafft worden, hat es serienmässig eine SIM-Karte eingebaut, die im Notfall einen automatischen Emergency Call starten würde. Ein kleines Feature, dass das Auto mit anderen Systemen vernetzt und somit für Hacker attraktiv macht. So haben es beispielsweise Hacker 2015 geschafft, einen Chrysler Cherokee fremd zu steuern: Das alles ohne Kabel, aus grosser Entfernung und mit einem Laptop. Der Fahrer hatte keine Kontrolle mehr über Motor, Lenkung und Bremse. Sammelklagen, Gerichtsverhandlungen, Software-Anpassungen und eine Rückrufaktion von 1,4 Mio. Chrysler Jeeps waren die Folgen.

Ein jüngeres Beispiel ist der Hackerangriff auf die grösste Benzin-Pipeline in den USA, wo Colonial Pipeline den Hackern letztendlich Millionen bezahlte – in US-Dollars und Bitcoins – um wieder Kontrolle über die Benzinversorgung zu erhalten. Um solche Sicherheitslücken wo immer möglich zu vermeiden, werden Prozesse und Produkte sicherheitstechnisch überprüft und zertifiziert. «Es lohnt sich, eine Zertifizierungsstelle bereits frühzeitig in der Entwicklung eines Produktes oder einer Dienstleistung miteinzubeziehen, da der Entwicklungsprozess ein wesentliches Element einer Zertifizierung und im Nachhinein nicht mehr zu korrigieren ist», erläutert Jens Henkner, Geschäftsführer von CertX.

Hacken mit ehrenswerten Absichten?

Um es Hackern mit düsteren Absichten so schwierig wie möglich zu machen, müssen Hersteller, industrielle Anwender sowie Endverbraucher sich der Sicherheitslücken bewusst sein und Vorsichtsmassnahmen strikte einhalten. Angriffe wie bei Chrysler werden von Hackern bewusst unternommen, um Firmen auf eminente Sicherheitslücken hinzuweisen. Auch Mitarbeitende der CertX beteiligen sich in der Freizeit am sogenannten «Ethical Hacking», damit Verbrauchern und Firmen grösseren Schaden erspart werden kann. Jens Henkner unterstreicht: «Nur wenn alle, von der Entwicklung bis hin zum Anwender vernetzte Geräte korrekt entwickeln und handhaben, ist die grösstmögliche Sicherheit gewährleistet. Damit sichere Produkte aus der Fabrik auch sicher bleiben, benötigt man Cybersecurity. Leider verfolgen viele Akteure noch das Floriani-Prinzip – nämlich die Gefahrenlage nicht zu lösen, sondern erstmal abzuwarten was passiert».

Sind Fehler Lehrmeister oder Tolggen im Reinheft?

«In der Luftfahrt ist man sich seit langem gewohnt, Fehler zu teilen und daraus gemeinsam zu lernen», so Henkner. Die meisten Branchen seien noch weit davon entfernt, diese Kultur vorbehaltlos zu leben. Öffentliche Diskussionen über Fehler wie bei Boeing könne man sich beispielsweise in der Autoindustrie nur schwer vorstellen. Doch langsam ändere sich auch hier die Einstellung zur Fehlerkultur. Henkner ist überzeugt, dass Normen in diesem Bereich eine tragende Rolle spielen können: «Normen sind in Schrift gegossene Erfahrung, als Ingenieur sehe ich als unsinnig an, das Rad zweimal zu erfinden». Diesem Grundsatz folgt auch CertX, die sich als Partner und nicht als beamtenhafte Kontrollstelle siehe. Dazu Henkner: «Wir sind der Co-Pilot. Wir lesen die Checkliste und stellen die richtigen Fragen, so dass die Kunden eigenständig leicht die richtigen Lösungen finden.»

Fahre ich mein Auto noch oder werde ich gefahren?

Der klassische Verbrennungsmotor ist nicht mehr der einzige Dominator auf den Strassen. Elektrische Autos bereichern das Strassenbild immer mehr. Schlagworte wie «autonomes Fahren» heizen die Diskussion um sicheres Fahren an. Glaubt man den Visionären, wird sich der Strassenverkehr in den nächsten Jahren grundlegend verändern. Fakt ist, dass sich der Automobilindustrie heute ganz andere Herausforderungen stellen als noch vor einigen Jahren. Mechanische oder elektrische Autos zu bauen sind zwei komplett unterschiedliche Disziplinen. Wenn zum Beispiel die Kupplung im Auto und somit die manuelle Kontrolle den Vortrieb zu unterbrechen plötzlich wegfällt, stellen sich ganz neue Prüfungen in den Weg der Hersteller, die funktional sichere Steuerungen erfordern. Neue Puzzlesteine wie Ladestationen oder leistungsintensivere Batterien erscheinen auf dem Radar. Heute kommen beispielsweise noch mehr Elektrofahrzeuge durch Brand zu Schaden und nicht durch Probleme bei den Fahrassistenten. «Auch in einem solch innovativen Umfeld helfen Normen, dienen sie doch als Best Practice und als Rezeptbuch bei der Entwicklung», ist Henkner überzeugt. «Die Sensibilisierung und Ausbildung der Mitarbeitenden tragen wesentlich zum Erfolg bei. So sind wir stolz, dass wir vor Covid-19 weltweit die meisten Mitarbeitenden im Bereich Automotive auf dem Bereich der Normung ausgebildet haben.»

Und was meint Henkner zum autonomen Fahren? Für Autobahnfahrten sieht er grosses Potenzial, dass aber in naher Zukunft autonom im Stadtverkehr gefahren wird, kann er sich aufgrund der Komplexität nicht vorstellen. CertX sei überzeugt vom multimodalen Transport der Zukunft und deshalb am Forschungsprojekt SwissMoves der Hochschule für Wirtschaft in Freiburg beteiligt, wo sie ihr Zertifizierungswissen im Bereich funktionale Sicherheit und Cybersicherheit einbringen.

Quelle: CertX 

CertX
Swiss Moves Testfahrzeug auf dem Gelände der Blue Factory in Freiburg. © zVg

 

 

 

 

 

Und was ist mit künstlicher Intelligenz?

Viele heutige Anwendungen setzen auf künstliche Intelligenz, insbesondere bei der Bilderkennung in verschiedenen Bereichen der Automatisierung. Die Schwierigkeit ist, dass nach der Entwicklung die sogenannten neuronalen Netzwerke zu einer Blackbox werden und nur noch schwer überprüfbar sind. Hier gilt es umso mehr, prozessbezogen vorzugehen und dementsprechend zu zertifizieren. Passieren zum Beispiel Fahrern Fehler, werden diese immer dem einzelnen Menschen als Versagen zugeschrieben und nicht als Systemfehler betrachtet. Künstliche Intelligenz muss nun nachweisen, dass sie sicherer als der Mensch arbeitet, die heutigen menschlichen Fehlerraten nicht überschreitet und keine systematischen Fehler auftreten. Ein praktischer Nachweis erfordert einen immens hohen Testaufwand, der bei den heutigen Entwicklungszyklen praktisch nicht leistbar ist. Zusätzlich fehlen Normen in diesem Bereich noch weitestgehend. «Die Kunst ist nicht mehr das Endergebnis zu prüfen, sondern den Entwicklungsprozess optimal zu regeln, so dass ein sogenannter ‚Equivalent Level of Safety‘ erreicht werden kann. Faktoren wie 4-Augen-Prinzip, lückenlose Dokumentation, saubere Datenbasis, digitalisierte Tests und so weiter spielen eine wichtige Rolle dabei, die Sicherheit neuronaler Netzwerke zu beurteilen. Die grosse Herausforderung ist es, agile Systeme in festgeschriebene Normen zu verpacken. Das gibt in der Normungsarbeit Reibungsflächen zwischen alle Beteiligten, die ich als sehr sinnvoll erachte, denn sie führen letztendlich zu guten Resultaten», betont Jens Henkner.

Quelle: CertX 

Mehrheit der KMU sieht Zertifikatspflicht nicht als Nachteil

Drei Viertel der Schweizer KMU bewerten die Zertifikatspflicht neutral oder positiv. In der Gastronomie und Hotellerie dagegen schätzen fast 60 Prozent die Auswirkungen als negativ ein. Das zeigt das sechste Coronavirus-KMU-Panel der ZHAW.

Corona-KMU-Panels
Zertifikatspflicht – am kritischsten eingestellt sind die Gastronomie und Hotellerie; die befragten Firmen in diesem Bereich bewerten die Konsequenzen als negativ oder sehr negativ, wie aus dem jüngsten Corona-KMU-Panels hervorgeht. © Depositphotos, Hay Dmitriy

39 Prozent der kleinen und mittleren Unternehmen in der Schweiz beurteilen die seit Mitte September eingeführte Zertifikatspflicht als positiv oder sehr positiv. Weitere 36 Prozent schätzen die Auswirkungen für den eigenen Betrieb als weder gut noch schlecht ein. Negative oder sehr negative Folgen beobachtet jedes vierte KMU und knapp ein Fünftel fühlt sich dadurch gegenüber anderen Branchen benachteiligt. Zu diesen Resultaten kommt die sechste Erhebung des Coronavirus-KMU-Panels der ZHAW School of Management and Law. Für die Untersuchung befragten die ZHAW-Forschenden von Mitte bis Ende September 201 kleine und mittlere Unternehmen.

Weitere Entlassungen

«Insgesamt sehen viele KMU also keine grossen Nachteile in der Zertifikatspflicht. Die Wahrnehmung ist aber von Branche zu Branche sehr unterschiedlich», erklärt Studienleiter Andreas Schweizer von der ZHAW-Fachstelle Corporate Performance and Sustainable Financing. Am kritischsten eingestellt sind die Gastronomie und Hotellerie: 58 Prozent der befragten Firmen in diesem Bereich bewerten die Konsequenzen als negativ oder sehr negativ.

Nach wie vor belastend wirkt sich die Pandemie auf die Beschäftigung in den KMU aus: In den letzten sechs Monaten mussten 27 Prozent der Umfrageteilnehmer Mitarbeitende entlassen, die Mehrheit (19 Prozent) tat dies wegen der Coronakrise. «Dieser Wert ist höher als der Anteil der KMU, die schon im März 2021 mit bevorstehenden Kündigungen rechneten», sagt Schweizer. Besonders betroffen waren Unternehmen in der Maschinen- und Elektroindustrie, in sonstigen Dienstleistungen wie Reisebüros oder im Detailhandel. Zwischen März 2020 und März 2021 hatten bereits 35 Prozent der KMU Mitarbeitende entlassen. Für die kommenden 12 Monate hält ein Fünftel Kündigungen für wahrscheinlich oder sehr wahrscheinlich.

Ausblick ist optimistischer

Gleichzeitig schätzen die KMU ihre generellen Aussichten besser ein als früher: Noch rund vier von zehn Firmen erwarten, dass Covid-19 ihre Geschäftstätigkeit in den kommenden 12 Monaten negativ beeinflussen wird. Das ist der tiefste Wert seit Beginn der Pandemie. Die Mehrheit erwartet keine weiteren Auswirkungen oder sieht die künftige Situation positiv (39 bzw. 23 Prozent). Zudem schätzen zwei Drittel die gegenwärtige Nachfrage nach den eigenen Produkten und Dienstleistungen als eher gut bis sehr gut ein. «Eine grosse Herausforderung ist dabei jedoch die Verfügbarkeit von Rohstoffen und Halbfabrikaten», sagt der ZHAW-Forscher. «51 Prozent der KMU beurteilen diese als eher schlecht bis sogar existenzbedrohend. Das sind mehr als im März 2020.»

Einen vom Bund verbürgten Covid-Kredit haben 43 Prozent der befragten Unternehmen beansprucht. Etwas mehr als zwei Drittel davon haben diesen noch nicht vollständig zurückbezahlt. Sieben Prozent der kreditnutzenden KMU geben an, ihn auch künftig nicht zurückführen zu können. Das sind deutlich weniger als im März 2021 (24 Prozent). Allerdings verzichtet ein Teil der Unternehmen auch bewusst vorerst auf eine Rückzahlung: Vier von zehn Firmen mit offenem Kredit möchten ihn stattdessen für künftige Liquiditätsengpässe nutzen. (Pressemeldung ZHAW)

Download des ZHAW Corona-KMU-Panels

Kontinuierliche Umfragen

Die neue Ausgabe des «ZHAW Corona-KMU-Panels» schliesst an die fünf vorhergehenden Befragungen vom März, April, Juni und September 2020 sowie März 2021 an. Aktuell haben die ZHAW-Forschenden vom 15. bis 26. September 2021 kleine und mittlere Unternehmen aus der ganzen deutschsprachigen Schweiz online befragt. Da diese bereits an früheren Umfragen teilgenommen haben, zeigt die Untersuchung die Entwicklung der wirtschaftlichen Lage der KMU seit Ausbruch der Pandemie. Im Interesse der Aktualität wurde auf eine vollständig repräsentativ gewichtete Abdeckung sämtlicher Branchen und Unternehmensgrössen verzichtet, wie die ZHAW schreibt.

Weltnormentag 2021 – Vision für eine bessere Welt

Die Welt steht vor zahlreichen Herausforderungen in den Bereichen nachhaltiges Wirtschaften, Umweltschutz und soziale Gerechtigkeit. Um diese anzugehen, wurden 17 nachhaltige Entwicklungsziele der UNO als globales Gemeinschaftsprojekt ins Leben gerufen. Die nationale Normungsarbeit leiste ihren Beitrag, um die globale Nachhaltigkeitsagenda zu erreichen, schreibt die Schweizerische Normen-Vereinigung.

Weltnormentag
Quelle: www.un-page.org

Der Weltnormentag findet jährlich am 14. Oktober statt. In diesem Jahr lautet das Motto «Gemeinsame Vision für eine bessere Welt» und soll darauf aufmerksam machen, welche Rolle die Normungsarbeit bei der Erreichung der 17 Sustainable Development Goals (SDGs) der UNO spielt. Um die festgelegten nachhaltigen Entwicklungsziele bis 2030 zu erreichen, bedürfe es der Zusammenarbeit vieler öffentlicher und privater Partner und des Einsatzes aller verfügbaren Instrumente, einschliesslich internationaler Normen und Konformitätsbewertungen, betont die Schweizerische Normen-Vereinigung (SNV). Die nationale Normungsarbeit unterstütze Organisationen und weitere Interessengruppen, nachhaltige, wirtschaftliche und soziale Lösungen zu erzielen. 

Anhand von wöchentlich erscheinenden Kurzvideos zeigt die SNV, auf welch vielfältige Weise die nationale Normungsarbeit zum Erfolg der SDGs beiträgt.

 

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Investitionen in Biodiversität lohnen sich

 

Intelligente Qualitätssicherung liegt im Trend

Die diesjährige Untersuchung von Micro Focus, Capgemini und Sogeti zeigt: Unternehmen planen zunehmend den Einsatz von künstlicher Intelligenz und Maschine Learning im Bereich der Qualitätssicherung.

Qualitätssicherung
Die Ergebnisse zeigen, dass Unternehmen zunehmend den Einsatz von KI und Maschine Learning im Bereich der Qualitätssicherung planen. Bild: World Quality Report 2021

Der kürzlich von Capgemini, Sogeti und Micro Focus veröffentlichte 13. World Quality Report 2021-20221 zeigt, dass Unternehmen zunehmend die Bedeutung von Qualitätssicherung (QS) erkennen und dahingehend einen stärker orchestrierten Ansatz verfolgen. Darüber hinaus beleuchtet der Report, wie sich die wichtigsten Trends, die diesen allgemeinen Wandel unterstreichen, in den Bereichen Qualitätssicherung und Testing entwickelt haben – darunter Künstliche Intelligenz (KI), Agilität und DevOps sowie dem sich entwickelnden Feld der Intelligent Industry2.

Laut des Reports entwickeln Unternehmen immer realistischere Erwartungen an Testing und QS. Schlüsselbereiche der IT-Strategie wie die Verbesserung der Customer Experience (63 Prozent) und der IT-Sicherheit (62 Prozent), die Entsprechung von Geschäftsanforderungen (61 Prozent) sowie das Entwickeln qualitativ hochwertiger Software-Lösungen (61 Prozent) erhalten dabei die gleiche Gewichtung.

Das Vertrauen in KI im Bereich der Qualitätssicherung wächst

Aus dem Report geht folgendes hervor: Immer mehr Unternehmen würden KI und Machine Learning (ML) gerne im Rahmen ihrer Qualitätssicherung implementieren. Beinahe die Hälfte der Befragten (48 Prozent) verfüge bereits über ein einschlägiges Kontingent an Testdurchführungsdaten, die KI- und ML-Plattformen benötigen würden. 42 Prozent der Geschäftsinhaber vertrauen auf den intelligenten Mehrwert, mit denen KI- und ML-Plattformen ihr Unternehmen bereichern – 46 Prozent sagen, dass sie Maßnahmen basierend auf dieser Intelligenz ergreifen würden. Das Vertrauen in KI im Bereich der Qualitätssicherung ist mittlerweile hoch, es existieren vielerorts bereits solide Pläne und Strategien. Darüber hinaus bauen Unternehmen Skills und Toolkits weiter aus, um KI und ML erfolgreich innerhalb ihrer Qualitätssicherung zu implementieren. Dennoch konnte KI in der Qualitätssicherung bisher noch nicht ihr volles Potenzial erreichen. Laut des Reports besteht hinsichtlich des Einsatzes von KI weiterhin ein zunehmender Bedarf an Testing-Strategien und Test-Design-Fähigkeiten. Dies bedeutet, das Unternehmen noch relativ am Anfang stehen und gerade erst beginnen, die Komplexität von KI, die damit verbundenen Herausforderungen sowie die Schwierigkeiten beim KI-Testing zu verstehen.

Der Mehrwert von agilen Methoden und DevOps in der QS

Unternehmen profitieren bereits stark von der Implementierung agiler Methoden und DevOps im Rahmen der QS und des Testings wie zum Beispiel in Form von höherer Produktivität, qualitativ hochwertiger Software sowie Kostenreduzierung Dieser Trend wird sich künftig fortsetzen. Der Report verzeichnet zudem, dass sich jene Faktoren, die die Befragten als die wichtigsten für eine erfolgreiche DevOps-Implementierung erachteten, neuausgerichtet haben: Mit einem Anstieg um elf Prozent bezeichnet über die Hälfte von ihnen (52 Prozent) geschäftsrelevante Prioritäten als den wichtigsten. Der Technologie-Stack hingegen verlor vergleichsweise an Bedeutung: Nur 49 Prozent stellen ihn an erste Stelle. Im Jahr 2020 waren es noch 65 Prozent.

Der Mangel an Testing-Expertise in agilen Teams bleibe weiterhin eine Herausforderung, heisst es. Da die Grenzen zwischen Softwareentwicklungs- und Testing-Teams immer stärker verschwimmen würden, müssten Unternehmen ihren Fokus auf Kollaboration und das Upskilling ihrer Mitarbeiter legen, die für die Qualitätssicherung verantwortlich seien.

Der Aufstieg von Intelligent Industry

Teams in der Qualitätssicherung werden bald das Fundament für das schnelle Wachstum von Intelligent Industry bilden, wie es gestützt auf den Report heisst. Daher sollten Unternehmen damit beginnen, Zeit, Energie und Budget in diesen Bereich zu investieren. Die wichtigsten Antreiber für Intelligent Industry seien ein effizienteres Vorgehen (47 Prozent), eine Qualitätssteigerung (46 Prozent), höhere Agilität und Flexibilität (44 Prozent) sowie eine optimierte Customer Experience (43 Prozent). Um dies zu erreichen, müssen sich Unternehmen in den ersten Schritten die Zustimmung des Managements einholen und die Durchführbarkeit nachweisen, wie es in der Pressemitteilung heisst. Gemäss Angaben planen 42 Prozent der Befragten, ihre bereits existierenden Test Labs um die Bereiche 5G, Internet of Things (IoT), KI und automatisierte Systeme zu erweitern. Dafür müssten Unternehmen in Produkte und Services investieren, die den höchsten Mehrwert bei begrenzter Zeit und Personalstärke einfahren.

„Was besonders stark aus dem diesjährigen World Quality Report hervorgeht, sind die verschobene Wahrnehmung, sowie wachsende Bedeutung von Qualitätssicherung als solches“, so Mark Buenen, Global Leader, Digital Assurance und Quality Engineering bei Capgemini. „Durch die Pandemie wird branchenübergreifend mehr und mehr Unternehmen klar, dass sie flexibel auf solche Ereignisse und Veränderungen reagieren müssen. Während IT-Landschaften modernisiert und für mehr Agilität in die Cloud verlagert werden, steigen Relevanz und Wert der Qualitätssicherung. Im Zuge dessen lassen sich wachsende Investitionen in diesem Bereich verzeichnen – besonders in Technologien, die die Intelligent Industry fördern.“

„Der globale World Quality Report verdeutlicht in diesem Jahr nicht nur die Auswirkungen der sich verändernden, von der Pandemie betroffenen Anwendungsanforderungen auf neue Bereitstellungsmethoden. Er beleuchtet zudem den wachsenden Einsatz von KI sowie die Implementierung agiler Vorgehensweisen und DevOps im Rahmen der Qualitätssicherung“, sagt Rohit de Souza, Senior Vice President, General Manager der ITOM Product Group sowie der ADM Product Group, Leiter des CTO Office und Product Security bei Micro Focus. „Unsere Kunden sind stetig auf der Suche nach Wegen, die Qualität, Geschwindigkeit, Produktivität und Sicherheit ihrer Software sowie die allgemeine Customer Experience zu verbessern – und das über verschiedene Geräte und Umgebungen hinweg. Die Ergebnisse unseres Reports zeigen, dass Unternehmen ihre Modernisierungsbestrebungen mithilfe von KI-getriebenen Qualitätssicherungs- und Test Automation Tools vorantreiben müssen.“ (Quelle: Micro Focus)

Für weitere Informationen und auf der Untersuchung basierende Handlungsempfehlungen steht der vollständige Report hier zum Download bereit.

1 World Quality Report 2021 Methodik: Beim jährlichen World Quality Report, der 2009 ins Leben gerufen wurde, handelt es sich um einen globalen Bericht, der sich mit der Analyse von Anwendungsqualität und Testing Trends auseinandersetzt. In diesem Jahr wurden im Rahmen des 13. Reports (2021-22) computergestützte Telefon-Interviews, gefolgt von vertiefenden Gesprächen mit 1.750 CIOs und weiteren Technologie-Experten (Vice President Applications, IT Director, Quality Assurance/Testing Manager, Chief Data Officer/Chief Marketing Officer, Vice President/Director of Research & Development, and Chief Technology Officer (CTO)/Product Head) aus 32 Ländern und aus über zehn Branchen hinweg geführt.

2 Bei Intelligent Industry, die vornehmlich von Daten angetrieben wird, handelt es sich um eine von Capgemini geprägte Bezeichnung für die digitale Transformation, die die physische und digitale Welt miteinander verbindet. Intelligent Industry nutzt den Einfluss von Daten, um Innovationskraft zu fördern, neue und differenzierte „smarte“ Produkte zu entwickeln, Lieferketten zu verbessern, neuartige Kundenerfahrungen zu kreieren und neue Wertquellen zu schaffen. Sie beschäftigt sich damit, wie Unternehmen Software, Daten, 5G, Edge Computing, Künstliche Intelligenz (KI), Automatisierung und das Internet of Things (IoT) einsetzen, um ihre Vorgehensweisen anzupassen und um herauszufinden, wie sie diesen Wandel erreichen können.  

 

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Business Agility – Architectural Runway

 

Neue Infoseiten zu CE- und DIBt-Verfahren

Das dürfte für den Exportmarkt von Interesse sein: Relevante Informationen rund um die CE-Kennzeichnung und die DIBt-Zulassung findet man auf den neuen VdS-Webseiten.

CE-Kennzeichnung
© VdS

Um Produkte in die EU-Märkte zu bringen, für die eine harmonisierte europäische Norm vorliegt, benötigen Hersteller eine CE-Kennzeichnung. Existieren keine Europa-Normen, so wird in Deutschland für viele Bauprodukte eine Zulassung des Deutschen Instituts für Bautechnik (DIBt) verlangt. Die Prüfungen hierfür übernehmen notifizierte beziehungsweise anerkannte Stellen. Die VdS Schadenverhütung GmbH unterstützt Hersteller bei beiden Verfahren – sie hat jetzt neue Infoseiten mit den wichtigsten Fakten hierzu erstellt.

Martin Hesels, stellvertretender Leiter der VdS-Zertifizierungsstelle, betont: «Für die schnelle und reibungslose Markteinführung bieten wir alle relevanten Dienste aus einer Hand – wir fördern den sicheren Erfolg von Brandschutz-Entwicklungen mit jahrzehntelanger Erfahrung rund um die geforderten Prozesse.»

Auf vds.de/ce-de und vds.de/dibt finden Interessenten massgebliches Wissen rund um den «Reisepass für Bauprodukte» sowie die PÜZ-Abläufe (Prüfen, Überwachen, Zertifizieren).

Quelle: VdS

 

Reputation: Diskrepanz nicht zwischen Anspruch und Wirklichkeit

Für fast alle Unternehmen und Agenturen in der Schweiz ist eine gute Reputation wichtig oder sogar sehr wichtig. Doch nicht mal jede zweite Organisation misst regelmässig, wie sich die eigene Reputation entwickelt. Zu diesem Ergebnis kommt eine Online-Umfrage der dpa-Tochter news aktuell und Faktenkontor. An der Befragung haben mehr als 120 Kommunikationsprofis aus Unternehmen und PR-Agenturen aus der Schweiz teilgenommen.

Reputation
Obwohl fast alle Unternehmen und Agenturen in der Schweiz die eigene Reputation für sehr wichtig bzw. wichtig halten, führt nur die Hälfte der Organisationen regelmässig Messungen durch. Quelle: obs/news aktuell (Schweiz) AG

 

Zwischen Anspruch und Wirklichkeit tut sich in Sachen Reputation demnach eine grosse Lücke auf: Auf der einen Seite erachten 99 Prozent der Befragten den guten Ruf des Unternehmens als sehr wichtig (70 Prozent) oder wichtig (29 Prozent). Die Reputation nimmt in Schweizer Unternehmen somit eine herausragende Bedeutung ein.

Auf der anderen Seite haben nur einige Unternehmen tatsächlich konkrete Massnahmen etabliert, einen guten Ruf aufzubauen beziehungsweise ihn zu bewahren: So haben nur etwas mehr als die Hälfte von ihnen eine konkrete Strategie für den Auf- und Ausbau ihrer Reputation (60 Prozent). In jedem dritten Unternehmen wird gar keine Strategie für den Unternehmensruf aufgesetzt (36 Prozent). Drei Prozent der befragten Kommunikationsprofis ist nicht bekannt, ob es im Unternehmen diesbezüglich überhaupt eine Strategie gibt.

44 Prozent der Unternehmen prüfen gar nicht, wie sich ihre Reputation entwickelt. Nur jedes zweite Unternehmen misst regelmässig, wie es um das eigene Unternehmensimage steht (49 Prozent) und sieben Prozent der Befragten wissen es nicht. Immerhin informieren von denjenigen, die Controlling-Massnahmen einsetzen, 93 Prozent regelmässig das Top-Management über die Fortschritte von Reputationskommunikation. (ots / news aktuell (Schweiz) AG)

Quelle: Online-Befragung im Februar 2021 von news aktuell und Faktenkontor, 121 Kommunikationsprofis aus Unternehmen, Organisationen und PR-Agenturen in der Schweiz. 

8 Tipps für den erfolgreichen ERP-Einsatz im Ausland

Der Auslandsmarkt wird für KMU immer attraktiver. Laut der Kienbaum-Studie sehen mehr als 30% der Befragten ein enormes Wachstumspotenzial in Europa und Übersee. Doch lediglich 15% der Bereichs-, Abteilungs- und Teamleitenden sind davon überzeugt, dass die Internationalisierung in ihrem eigenen Unternehmen bereits ausreichend vorangetrieben wird. Ein zentrales Element für den Erfolg ist der länderübergreifende Einsatz eines ERP-Systems – als digitales Rückgrat für alle Geschäftsbereiche.

ERP-Systems
© zVg

Nun stellt sich die Frage: Welche Faktoren sind entscheidend, um im weltweiten Wettbewerb zu bestehen? Produktivität, Geschwindigkeit und Effizienz sind die meistgenutzten Schlagworte. Der Software-Hersteller proAlpha zeigt 8 Stellschrauben für das ERP-Roll-out, mit denen Hidden Champions auch auf dem internationalen Parkett glänzen.

1. Kommunikation ist alles

Nutzen Sie die kulturellen Herausforderungen als Chance für Ihr Geschäft. Denn in jedem Land wird anders entschieden und geplant. Sinnvoll ist es, sich zum Projektstart möglichst viel Zeit zu nehmen, um mit allen Beteiligten ein einheitliches Vorgehen abzustimmen. Stellen Sie einen Plan auf, in dem Projektziele und Abläufe klar definiert und dokumentiert sind. So sind Sie von Beginn an vor Fehlinterpretationen gefeit. Denn funktionierende Prozesse sind eine wichtige Grundlage, um auch im Ausland möglichst gut vernetzt und erfolgreich zu sein.

2. Sprachbarrieren geschickt überwinden

Im internationalen Umfeld gilt Englisch als etablierte Arbeits- und Projektsprache. Doch gerade zwischen Muttersprachler und Nicht-Muttersprachler können Feinheiten in der Kommunikation schnell verlorengehen – Missverständnisse entstehen, der Projekterfolg gerät ins Wanken. Setzen Sie deshalb bei der Vorbereitung Ihres ERP-Roll-outs im Ausland auf international versierte Projektmanager, die in der Lage sind, auch sprachliche Klippen souverän zu umschiffen.

3. Lokale Anforderungen identifizieren

Die gesetzlichen Regelungen für Unternehmen unterscheiden sich von Land zu Land – häufig sogar regional. Um hier für alle Eventualitäten gewappnet zu sein, sollten Sie sich bereits vor Gründung einer Auslandsniederlassung über die jeweiligen Rahmenbedingungen informieren. Zudem ist es sinnvoll, die Geschäftspraktiken vor Ort zu kennen. Ein standardisierter Fragenkatalog für das ERP-Roll-out ist hier nicht zielführend, da er möglicherweise wesentliche Erfolgskriterien unberücksichtigt lässt. proAlpha setzt in diesen Fällen auf offene Workshops, in denen Anwender ihre Hürden offen ansprechen und individuelle Anforderungen definieren können. Erst im Anschluss vervollständigen gezielte Fragen das Bild.

4. IT von Anfang an ins Boot holen

Die technische Zielarchitektur muss bei einem internationalen Einsatz von ERP-Software so früh wie möglich definiert werden. Denn mit ein paar zusätzlichen User-Accounts ist es in der Regel nicht getan. Betrachten Sie das Set-up im Backend als essenziellen Erfolgsfaktor für Ihr Projekt.

In einem möglichen Szenario bauen Sie Ihre Auslandsniederlassungen als zusätzliche Mandanten auf einer bestehenden Datenbank auf. Das spart Lizenzkosten, verringert die Einführungszeit und erleichtert den Datenaustausch – allerdings sind dann alle Länder von einem Datenbankserver abhängig. Um bei Wartungen und lokalen Anforderungen flexibler agieren zu können, bietet sich ein zweites Szenario an: Jeder Standort erhält eine eigene Datenbank, jedoch einhergehend mit zusätzlichen Lizenzkosten und einem höheren Aufwand beim Einspielen von Updates.

5. Standardisierung und ihre Grenzen

Individuelle Anforderungen an Workflows und Datenstrukturen führen im ERP-System schnell zu Abweichungen von der Standardprogrammierung – vor allem in der Unternehmenszentrale. Da die meisten Auslandstöchter jedoch kompakter aufgestellt sind und weniger Spezialwerkzeuge benötigen, ist die Übernahme der kompletten Architektur nur selten zielführend. Die Lösung: Entwickeln Sie ein Set-up mit mehreren Landesgesellschaften und modifizieren Sie den Standard für Ihre Niederlassungen so wenig wie möglich. Anpassungen pro Mandant bzw. Land lassen sich so deutlich einfacher realisieren.

6. Stammdatenmanagement verpflichtend einführen

Das Mastermandantenkonzept ist ein sinnvolles Werkzeug im zentralen Stammdatenmanagement, wenn sich Prozesse an allen Standorten ähneln und die gleichen Daten genutzt werden. Trotz des hohen Aufwands decken Sie damit die Potenziale eines global einheitlichen ERP-Systems auf – und machen sie für Ihr Unternehmen nutzbar. Die Stammdaten werden zentral vorgehalten, gepflegt und können in lokale Mandanten repliziert werden. Dabei ist es jedoch wichtig, zwischen globalen und lokalen Stammdaten zu differenzieren, um regionale und nationale Unterschiede zu berücksichtigen, beispielsweise bei der Parametrisierung landesspezifischer Steuergesetze.

7. Landessprache ist Trumpf

ERP-Systeme sollten sich an die Bedürfnisse der jeweiligen Anwender*innen anpassen lassen – nicht zuletzt bei der Sprachversion. Auch wenn Benutzeroberflächen und Menüs in Englisch häufig internationaler Standard sind, erleichtern Masken in der Landessprache das Arbeiten enorm. Hat Ihr ERP‑Anbieter keine fertige Sprachversion für Ihre Anforderungen parat, sollte er zumindest ein Übersetzungs‑Kit bereitstellen.

8. Ist eine Vor-Ort-Beratung notwendig?

Beratertage vor Ort sind ein enormer Kostenpunkt, wenn es um das Roll-out eines ERP-Systems im Ausland geht. Beschränken Sie diese Termine deshalb auf das Notwendigste. In Abstimmung mit der Projektleitung definieren Sie die Aufgaben, die zwingend am jeweiligen Standort erledigt werden müssen. Landesspezifische Einstellungen an der ERP-Software und andere Arbeiten, die keine Kundenkenntnis erfordern, können dann bequem und kostensparend per Remote Consulting erledigt werden.

Mit diesen 8 Tipps sind Mittelständler auf die gängigsten Hürden gut vorbereitet und können bereits vor dem Wagnis Internationalisierung Ihr ERP-System optimal konfigurieren.

Quelle: proAlpha

 

Neue VdS-Richtlinie: Mindestanforderungen an die KMU-Informationssicherheit

Auch kleine Unternehmen nutzen Informationsverarbeitungssysteme für ihre Geschäftsprozesse und unterliegen damit vielfältigen Cyber-Risiken. Sie können sich eine umfangreiche Absicherung kaum leisten. Mit der VdS 10005 liegt nun eine Richtlinie vor, mit der sich eine systematische IT-Sicherheit mit unabhängigem VdS-Testat implementieren lässt.

Informationssicherheit, Cybersicherheit, VdS 10005
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Die praktischen Erfahrungen mit dem etablierten Cyber-Security-Standard VdS 10000 haben gezeigt: Die formulierten Anforderungen und Handlungsvorgaben sind für KMU eine praktikable Grundlage, um ein angemessenes Sicherheitsniveau im Bereich der Informationssicherheit zu erreichen. Für Klein- und Kleinstunternehmen sind die Vorgaben der VdS 10000 jedoch immer noch zu komplex, so dass sich speziell diese Kundengruppe einem systematischen IT-Sicherheitsansatz nach wie vor verschliesst. Vor diesem Hintergrund hat VdS die Richtlinien 10005 entwickelt. Ziel des Rahmenwerks ist es, Unternehmen mit bis zu 20 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern einen kostengünstigen Weg zur Absicherung ihrer IT-Systeme aufzuzeigen und mit wirkungsvollen Massnahmen zu fundieren.

Webbasierte Leitfaden entwickelt

«Wie können wir Klein- und Kleinst-Unternehmen ein Angebot machen, das einerseits die technisch-organisatorischen Massnahmen (TOMs) verantwortungsvoll skaliert und dennoch ein angemessenes Schutzniveau bietet, andererseits aber die Ressourcensituation und last but not least die Investitionsbereitschaft der Zielgruppe nicht aus den Augen verliert? Wieviel darf Informationssicherheit heute kosten?», erläutert Markus Edel, VdS-Abteilungsleiter Cyber-Security und Managementsysteme, den gedanklichen Ansatz zur Entwicklung der Richtlinien VdS 10005. «Indem wir den Managementsystemaspekt aus den Anforderungen herausdividieren. Denn dadurch, dass die TOMs in ein Managementsystem eingebettet sind, das den sogenannten kontinuierlichen Verbesserungsprozess als zentralen Bestandteil hat, bedarf es einer Reihe von Massnahmen, die ressourcenintensiv sind», fährt er fort.

Zu den Richtlinien VdS 10005 wurde ausserdem ein webbasierter Leitfaden entwickelt, der die Kunden Schritt für Schritt durch die Anforderungen führt. Neben dem Text der Richtlinien gibt der Leitfaden wertvolle Hinweise zur Interpretation und zeigt konkrete Umsetzungsbeispiele aus der unternehmerischen Praxis auf. Der Leitfaden ist unter vds.de/leitfaden-vds-10005 als Online-Tool in einem kostenpflichtigen, geschlossenen Bereich verfügbar und ermöglicht den Usern zusätzliche komfortable Features – beispielsweise die Möglichkeit, den Umsetzungsstatus der Richtlinie VdS 10005 aktuell abzubilden, um so die Testat-Fähigkeit exakt bestimmen zu können.

Nicht mehr zertifizierungsfähig

Mit dem Gesamtpaket aus Richtlinie und Leitfaden konnte das Ziel, den Aufwand für Kleinstunternehmen zu reduzieren, optimal erreicht werden. So bietet VdS interessierten Unternehmen für unter 650 Euro ein Verfahren, das eine angemessene Absicherung ihrer IT-Landschaft ermöglicht, aufgrund des Wegfalls des Managementsystemaspekts allerdings nicht mehr zertifizierungsfähig ist. Vielmehr zielt die Richtlinie auf ein remoteauditbasiertes Testat ohne zwingende, jährliche Überwachung ab, so dass auf kostenintensive Vor-Ort-Audits verzichtet werden kann. Darüber hinaus stellen VdS 10005 eine Teilmenge der VdS 10000 dar und sind damit aufwärtskompatibel. Eine interessante Option, wenn beispielsweise durch eine Geschäftsvergrösserung oder Veränderungen des Risikoumfeldes auch die Anforderungen an die Informationssicherheit steigen.

Mehr Infos unter: www.vds.de/cyber

 

Weitere Themen:

Neue Cyber-Versicherung für Selbständige und KMU

Ratgeber für KMU zur Korruptionsprävention

Die Nichtregierungsorganisation Transparency Schweiz hat einen Ratgeber speziell für Schweizer KMU entwickelt, um Korruptionsrisiken besser zu erkennen.

Korruption
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Korruption findet fast immer im Verborgenen statt und ist gerade für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) mit begrenzten Ressourcen oft schwer erkennbar. Hinzu kommt, dass die zahlreichen exportorientierten Schweizer KMU rasch mit Korruption im Ausland konfrontiert werden. Transparency Schweiz hat deshalb einen Ratgeber speziell für Schweizer KMU entwickelt, der sie darin unterstützt, ihre Korruptionsrisiken zu erkennen und diesen mit geeigneten Massnahmen wirksam zu begegnen – und dies rasch, kosteneffizient und nachhaltig, wie die Nichtregierungsorganisation schreibt.

Checkliste zur Selbstevaluation

Der KMU-Ratgeber zur Korruptionsprävention wird durch eine Checkliste zur Selbstevaluation ergänzt, die eine erste rasche Einschätzung ermöglicht, in welchen Bereichen das KMU Korruptionsrisiken ausgesetzt ist und wo der grösste Handlungsbedarf besteht. Ergänzend dazu hat Transparency Schweiz die themenspezifischen Leitfäden Umgang mit Whistleblowing sowie Geschenke & Einladungen erarbeitet.

Ratgeber und Leitfäden sowie die Checkliste stehen online und als Broschüren zur Verfügung. Letztere können bei der Geschäftsstelle von Transparency Schweiz bestellt werden.

Anforderung unter info@transparency.ch

Sind Cloud-Lösungen das Business-Modell der Zukunft?

Mit der Einführung von Cloud-Lösungen oder auch dem Umstieg von komplexen On-Premise-Produkten, können Betriebe langwierige und ressourcenaufwendige Beschaffungsprozesse innerhalb kürzester Zeit optimieren.

Cloud-Lösungen
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Standardisierte Prozesse, maximale Effizienz und geringere Kosten – die Gründe für die Implementierung von Cloud-Lösungen in der Beschaffung sind vielfältig. In vielen Unternehmen wird allerdings nach wie vor mit überholten oder gar analogen Abläufen gearbeitet. Patrick Sommer, Head of Consulting bei CNT Management Consulting in Zürich, ist sich der gegenwärtigen Situation bewusst: «Viele Unternehmen sind weiterhin zögerlich, wenn es um Digitalisierungsthemen geht. Fehlende Entscheidungsbereitschaft und Zielstrebigkeit sorgen dafür, dass nach wie vor viel mit altbewährten Geschäftsmodellen gearbeitet wird.» Die Bereitschaft, etwas zu ändern, existiere durchaus. Sehr häufig bestehe der Wunsch, die firmeninternen individuellen Prozesse zu überarbeiten. Dem entgegnet der Experte mit Cloud-Lösungen:  «Die Cloud hat den Vorteil, auf standardisierten Prozessen aufzubauen, die allesamt auf Basis von ‚Best Practice‘ entwickelt wurden.»

Speziell in Zeiten der Corona-Pandemie haben viele Firmen die Wichtigkeit von digitalen Lösungen erkannt und nutzen freie Ressourcen dazu, IT-Projekte umzusetzen. Da Einkaufsprozesse nicht nur in allen Branchen notwendig sind, sondern zu 90 Prozent überall gleich ablaufen, empfehlen sich Cloud-Lösungen für Unternehmen aus allen Bereichen.

Von altbewährt zu vollständig automatisiert

Firmen, die Geschäftsbereiche bereits digitalisiert haben, benötigen für einen Umstieg von älteren On-Premise auf Cloud-Lösungen zwar im Normalfall lediglich zwölf Wochen, vielen Kunden geht das allerdings gar zu schnell. Häufig wird die Implementierung dann auf knappe sechs Monate ausgedehnt, dafür funktioniert die Cloud dann vollumfänglich ab Tag eins. Das bedeutet beispielsweise, dass zeitaufwendige interne Betriebsabläufe zentral über ein digitales Interface gesteuert oder automatisiert werden. Ein Maschinenpark kann ab diesem Zeitpunkt mobil in einem einzigen Programm verwaltet werden, in dem man Auf- und Ausgaben stets im Blick hat. Und der Einkaufsprozess erfolgt vollständig papierfrei. «Durch die Anwendung der Cloud wird die gesamte Beschaffungskette digitalisiert und automatisiert, wodurch fehleranfällige und unauffindbare Papierverträge der Vergangenheit angehören», erklärt Sommer. Das bedeute, vom Sourcing über das Lieferanten- und Vertragsmanagement, Bestellungen, bis zur Rechnungs- und Zahlungsabwicklung laufe alles vollständig digital. Die Vorteile: die Einhaltung betrieblicher, vertraglicher und gesetzlicher Vorschriften kann einfacher sichergestellt werden und Mitarbeiter fällen Kaufentscheidungen auf Grundlage der Vorgaben des Unternehmens. Sämtliche Beschaffungsrichtlinien werden dabei automatisch eingehalten.

Frühzeitige Integration von Lieferanten

Trotz der zahlreichen Vorteile ist bei vielen Unternehmen die Unentschlossenheit bezüglich Cloud-Lösungen weiterhin gross.  Die hohe Flexibilität und die uneingeschränkte Kontrolle über das System wird bei bewährten On-Premise-Lösungen geschätzt. Auch die Zusammenarbeit mit den Lieferanten spielt eine Rolle. «Bei Cloud-Lösungen müssen auch die Lieferanten mitspielen, sich im Programm anmelden und ihre Produkte dort angeben. Schwierig wird es dann, wenn der jeweilige Lieferant selbst noch nicht im digitalen Zeitalter angekommen ist», beschreibt Sommer. Deswegen empfehle es sich, die Lieferanten mithilfe von Kommunikationsmitteln wie Newslettern, Schulungen oder Handbüchern frühzeitig abzuholen und somit in den Prozess zu integrieren.

Die richtige Software ist nur der erste Schritt

Oftmals herrscht bei Unternehmen der Irrglaube, mit der Entscheidung für On-Premise- oder Cloud-Lösungen bereits den Digitalisierungsprozess bewältigt zu haben. Dies sei zwar ein wichtiger Bestandteil der Transformation, aber bei weitem noch nicht das Ende: «Um die digitale Implementierung erfolgreich zu gestalten, müssen alle unternehmensspezifischen Massnahmen sowie deren Umfang in die Kosten-Nutzen-Rechnung miteinfliessen», hebt Sommer hervor. Es sei schlichtweg schwierig, Roadmaps und KPIs für etwas zu erstellen, von dem man selbst nur über eingeschränktes Wissen verfügt. «Individuelle Massnahmen lassen sich viel einfacher festlegen, wenn die Optimierungspotenziale korrekt beziffert sind», betont der Experte. Wer seine Prozesse hinterfrage, habe bereits vieles richtig gemacht. 

Quelle: CNT Management Consulting AG 

 

Neuartige und kommende medizinische Radionuklide

Nukleartherapie und molekulare Bildgebung werden in Krankenhäusern in grossem Umfang für neue, vielversprechende medizinische Verfahren eingesetzt. Sie können die Behandlungsergebnisse bei vielen Erkrankungen drastisch verbessern und ermöglichen insbesondere die Behandlung von streuenden Tumoren. Die eingeschränkte Verfügbarkeit von Radionukliden, die nicht kommerziell erhältlich sind, machte auch deren effektive Weiterentwicklung schwierig. Mit Prismpa – dem europäischen Programm für medizinische Radionuklide – wird sich dies nun ändern. Das Paul Scherrer Institut ist Teil davon.

Prismap
Paul Scherrer Institut: Injektor-2-separated-sector-Zyklotron (links) und die Spallationsneutronenquelle Schweiz SINQ (rechts). Foto: PSI

In der Nuklearmedizin wird dem Patienten eine radioaktive Substanz verabreicht, die dann zu bestimmten biologischen Zielpunkten im Körper gelangt. Je nach den radioaktiven Eigenschaften des Radionuklids kann die Substanz Strahlung aussenden, die mit externen Detektoren nachgewiesen werden kann, um die Verteilung des betreffenden Nuklids sichtbar zu machen (SPECT, PET-Bildgebung); alternativ kann die Substanz geladene Teilchen wie α- oder β-Teilchen aussenden, die ihre Energie lokal (innerhalb von Mikrometer bis zu einigen Millimetern, das heisst, von der Grösse einer Zelle bis zur Grösse einer Metastase) abgeben und dadurch nur Zellen in der Nähe zerstören, zum Beispiel zur Behandlung eines Krebses mit gezielter Radionuklidtherapie (TRNT).

Von den mehr als 3000 verschiedenen Radionukliden, die Forschende im Labor synthetisiert haben, wird nur eine Handvoll regelmässig für medizinische Verfahren verwendet, hauptsächlich für die Bildgebung, obwohl das Interesse an TRNT in den letzten Jahren zugenommen hat. Eine der Hauptschwierigkeiten bei der Entwicklung neuartiger radio-medizinischer Produkte ist der Zugang zu Radionukliden während der Entwicklungs- und der frühen biomedizinischen Forschungsphasen. Im Rahmen von Prismap – dem europäischen Programm für medizinische Radionuklide – kann diese Entwicklungsphase durch den Zugang zu neuartigen Radionukliden von hoher Reinheit für die medizinische Forschung erleichtert werden.

Erzeugung von Radionukliden

Die radioaktiven Elemente, die in der Nuklearmedizin verwendet werden, sind in der Natur nicht vorhanden und müssen im Labor synthetisiert werden. Es gibt zwei Hauptwege: die Neutronenbestrahlung in einem Kernforschungsreaktor oder die Protonen-, Deuteronen- oder Alphabestrahlung mit einem Teilchenbeschleuniger. Die Grösse und die Energie des Teilchenbeschleunigers bestimmen, welches Radionuklid hergestellt werden kann: Kleine, kompakte Geräte stehen in vielen Krankenhäusern zur Verfügung und ermöglichen den Zugang zu den heute verwendeten Radionukliden. Für die Erzeugung neuartiger Radionuklide, die derzeit nicht verfügbar sind, werden jedoch Geräte mit höherer Energie benötigt.

Aufreinigung von Radionukliden

Bei der Herstellung dieser neuartigen Radionuklide treten neue Herausforderungen auf: die gleichzeitige Produktion unerwünschter Radioaktivität, die die Qualität des Arzneimittels beeinträchtigt, nachteilige Auswirkungen auf den Patienten haben könnte und die Abfallentsorgung in Krankenhäusern erschweren kann. Daher sind neuartige Reinigungstechniken erforderlich. Im Rahmen von PRISMAP werden Verfahren entwickelt, die auf physikalischer Massentrennung und Radiochemie basieren, um eine hochreine Radionuklidproduktion zu erreichen, die für Arzneimittel geeignet ist.

Zugang und translationale Forschung

Um die laufende Forschung in ganz Europa und darüber hinaus zu unterstützen, wird Prismap sofortigen Zugang zu neuen Radionukliden bieten. Über die Website wurde eine zentrale Zugangsplattform eingerichtet, auf der die Produktions- und Unterstützungsmöglichkeiten vorgestellt werden.

Ein Netz von weltweit führenden europäischen Einrichtungen, darunter Kernreaktoren, Mittel- und Hochenergiebeschleuniger sowie radiochemische Labors, wurde gebildet, um eine möglichst breiten Katalog von Radionukliden für die medizinische Forschung anzubieten. In der Cern Medicis-Anlage steht eine Massentrennung zur Verfügung, die die physikalische Trennung von Isotopen eines Elements ermöglicht. Ergänzt wird dies durch ein Netz biomedizinischer Forschungseinrichtungen, die externe Forscher aufnehmen können, um ihre Forschung in der Nähe der Produktionsanlage durchzuführen, wenn die Radionuklide nicht für einen langen Transport zu ihrer Einrichtung geeignet sind oder wenn die europäische Zulassung für neuartige Radionuklide noch nicht erteilt wurde.

Der Zugang zu den Radionukliden und den zugehörigen Einrichtungen wird auf der Grundlage einer Exzellenz-Auswahl gewährt. Der Zugang zu den Radionukliden und gegebenenfalls zu den ergänzenden biomedizinischen Einrichtungen über die Prismap-Online-Plattform beantragt wird. Ein Auswahlgremium, das sich aus Experten auf den Gebieten der Radionuklidproduktion, der molekularen Bildgebung und der Radionuklidtherapie zusammensetzt, wird die besten Projekte unter den Bewerbern auswählen. Die erste Aufforderung zur Einreichung von Vorschlägen wird vor Ende des Jahres 2021 gestartet und soll im ersten Quartal 2022 veröffentlicht werden. Sie wird allen Interessenten offenstehen.

Ein Blick in die Zukunft

Auf dem sich schnell entwickelnden Gebiet der Nuklearmedizin ist Prismap auch auf die Zukunft ausgerichtet. Die Europäische Kommission hat sich verpflichtet, die gesellschaftlichen Auswirkungen von Krebs durch den Plan „Europe’s Beating Cancer“ und insbesondere durch den Anfang des Jahres vorgestellten Samira-Aktionsplan zu bekämpfen, zu dem auch die Einrichtung einer europäischen Radionuclide Valley Initiative gehört. Durch das Prismap-Konsortium aus 23 akademischen und forschenden Einrichtungen in ganz Europa wird die Entwicklung hin zur Hochskalierung der Produktion dieser neuartigen Radionuklide in Form von neuartigen Produktionstechnologien, neuen Reinigungsmethoden und Proof-of-Concept-Untersuchungen erkundet. Sie sollen die Entwicklung neuer Behandlungen vom Prüfstand bis zur Patientenversorgung aufzeigen und direkt in diesen europaweiten Plan einfliessen.

Prismap-Konsortium

Prisma ist ein Konsortium, das eine Gemeinschaft von Forschenden in der Anfangsphase betreut, und strebt danach, sich als Gemeinschaft zu etablieren und neue Einrichtungen aufzunehmen, um die Möglichkeiten des Programms zu erweitern. Neue Anlagen wie der Jules-Horowitz-Reaktor im CEA Cadarache (Frankreich), die ISOL@MYRRHA-Massenseparatoranlage im SCK CEN (Belgien), der neue SPES-Beschleunigerkomplex in den nationalen INFN-Laboratorien in Legnaro (Italien) zeichnen sich ab, die Europäische Spallationsquelle in Lund (Schweden) und schliesslich die neue SPIRAL2-Anlage in GANIL (Frankreich), die kürzlich ihre ersten Strahlen beschleunigt hat, sowie die FAIR-Anlage in der GSI (Deutschland), deren Bau voranschreitet. Diese neuen Einrichtungen werden unmittelbar von den Erkenntnissen aus Prisma profitieren und zur Steigerung der Produktionskapazität in ganz Europa beitragen.

Durch die Zusammenarbeit zwischen Forschungskrankenhäusern und Metrologie-Instituten werden neue Daten generiert und zusammengestellt, die eine sofortige und reibungslose Einführung der neuartigen Radionuklide in der Medizin ermöglichen. Alle neuen Erkenntnisse werden für die Erstellung von neuem Lehrmaterial für Fachleute in den verschiedenen Bereichen dieses multidisziplinären Gebiets sowie für die Ausbildung der nächsten Generation von Fachleuten und die Beratung der Europäischen Kommission zu diesen neuartigen Radionukliden verwendet. 

PSI ist Hauptpartner

Das Paul Scherrer Institut ist einer der Hauptpartner des Prismap-Konsortiums. Die Forschenden nutzen seine Grossforschungsanlagen Spallationsneutronenquelle Schweiz SINQ und Injektor 2 sowie die Bestrahlungsstation IP2, um Radionuklide für medizinische Zwecke herzustellen. Die Radionuklide sind an einen Molekülkomplex gekoppelt, docken selektiv an Tumorzellen im Körper an und können diese mit ihrer Teilchenstrahlung zerstören. Das Zentrum für Radiopharmazeutische Wissenschaften am PSI ist eine der wenigen Forschungsorganisationen in der Schweiz, die in der Lage ist, Radiopharmazeutika nicht nur für Forschungszwecke, sondern auch für klinische Versuche zu entwickeln. Derzeit läuft das Zulassungsverfahren für klinische Versuche mit dem vielversprechenden therapeutischen Radionuklid Terbium-161. Darüber hinaus ist im Rahmen des neuen BFI-Projekts IMPACT (Isotope and Muon Production with Advanced Cyclotron and Target Technology) für den Zeitraum von 2024 bis 2028 eine Aufrüstung der Hochintensitäts-Protonenbeschleunigeranlage HIPA vorgesehen, um die Produktion neuer Radionuklide für Diagnostik und Therapie zu ermöglichen.

Die nuklearmedizinische Forschung ist ein multidisziplinärer Ansatz, und um Fortschritte zu erzielen, müssen Brücken zwischen Physikern, Ingenieuren, Radiochemikern, anorganischen Chemikern, Strukturbiologen, Klinikern, Medizinphysikern, Dosimetrikern, Pharmakologen und Onkologen geschlagen werden. Prismap – das europäische Programm für medizinische Radionuklide – wird die Umsetzung eines multidisziplinären Arbeitskonzepts in die Praxis unterstützen.

Quelle: Paul Scherrer Insitut, Text auf der Basis einer Mitteilung des Cern